Das Kabinettsbüro des ungarischen Premiers Viktor Orbán hat auf YouTube großangelegte Online-Kampagnen zu den vermeintlichen Gefahren der illegalen Migration geschaltet und in sieben EU-Ländern ausgespielt. In Polen und der Slowakei lief die Kampagne in der Zeit unmittelbar vor den dortigen Wahlen im vergangenen Herbst. Journalistinnen des Rechercheverbunds VSquare hatten die Videos in der Werbungstransparenzdatenbank von Google entdeckt und ausgewertet.
In beiden Ländern befanden sich zu diesem Zeitpunkt gerade Verbündete von Orbáns Regierung im Wahlkampf und traten auch mit migrationsfeindlichen Botschaften an. In Polen war das die Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS), die kurz darauf die Wahlen verlor. In der Slowakei konnte sich Orbáns Verbündeter, der Linkspopulist Robert Fico, hingegen durchsetzen und gewann.
Laut Google keine politische Werbung
Die beiden Clips zeigen Szenen von der ungarischen-serbischen Grenze. Im ersten Video ist zu sehen, wie Menschen den Zaun mit Heckenscheren und Leitern zerstören und Fahrzeuge der Grenzbehörden angreifen. Unterlegt ist das mit dramatischer Musik und Untertiteln auf Englisch. Im anderen 14-sekündigen Clip heißt es auf Englisch: “Ungarn schützt die EU vor illegaler Migration. Doch statt Ungarn zu helfen, laden Bürokraten in Brüssel noch mehr Migranten ein.“
Verantwortlich für die Kampagne ist das Kabinettsbüro von Viktor Orbán und damit sein Propagandaminister Antal Rogán, das geht aus den Daten im Anzeigenregister hervor. Doch wie viel Steuergeld der Minister dafür investiert hat und wer genau in den einzelnen Ländern mit den Videos ins Visier genommen wurde – all diese Details gibt Google nicht bekannt. Das liegt daran, dass die Anzeigen nicht als politische Werbung geschaltet wurden – und laut den Regeln von Google, dem Mutterkonzern von YouTube, auch gar keine politische Werbung sind.
Damit unterliegen sie wesentlich laxeren Transparenzregeln. Für politische Werbung legt Google etwa Informationen dazu offen, welche Kategorien von Nutzer:innen die Werbetreibenden mit ihren Anzeigen erreichen wollten und wie viel Geld sie dafür ausgegeben haben. Zu nicht-politischer Werbung erfährt man hingegen nur wenig: den Zeitraum, zu dem die Kampagne lief, sowie die ungefähre Anzahl der Ausspielungen in diesem Zeitraum. Zum Zielpublikum der Anzeigen oder investierten Betrag hingegen: nichts.
Medien in Tschechien und Polen waren die Anzeigen bereits vergangenes Jahr aufgefallen. Auf ihre Nachfrage bestätigte Google, dass die Anzeigen der ungarischen Regierung nicht gegen die Nutzungsbedingungen verstoßen. Es handele sich dabei nicht um politische Anzeigen, da sie keine politischen Parteien oder Politiker:innen bewerben.
Dass die Kampagne auch in Deutschland, Österreich, Belgien und Italien zu sehen war, wurde hingegen erst jetzt bekannt. Das liegt daran, dass Google Anzeigen erst mit einem Zeitverzug von drei Monaten in seiner Datenbank veröffentlicht.
Fast eine Millionen Mal gesehen in Deutschland
In der Slowakei ist der ungarischen Regierung damit etwas gelungen, was dortige Parteien gar nicht mehr durften. Aus der Google-Datenbank geht hervor, dass die ungarische Regierung den ersten Clip am 28. September ausspielte, also zwei Tage vor der slowakischen Wahl. Zu diesem Zeitpunkt galt für die slowakischen Parteien nach dortigem Recht schon eine Sperrfrist. Ungarn durfte aber auf YouTube weiter mit migrationsfeindlichen Botschaften werben – und so indirekt für Ficos Partei. Die Anzeige war laut Datenbank 900.000 bis eine Million Mal zu sehen.
In Deutschland wurde in dem Zeitraum ebenfalls gewählt: Bei den Landtagswahlen in Bayern und Hessen konnten die AfD und auch die Freien Wähler zulegen, beide mit einer migrationsfeindlichen Agenda. Bis zu 400.000 Views hatte einer der beiden Clips laut Google-Datenbank, bis zu 500.000 der andere. Wo genau die Anzeigen in Deutschland zu sehen waren oder wer sie zu sehen bekam, geht aus der Datenbank aber nicht hervor. Auch sagen die Zahlen nichts darüber aus, wie viele Menschen die Anzeigen gesehen haben, sie könnten auch einer Person mehrfach angezeigt worden sein.
EU plant eigenes Gesetz
Um politische Einflussnahme auf Wahlen zu verhindern, arbeitet die EU derzeit an einem Gesetzesvorhaben, das erstmals politische Werbung regulieren würde. Nach drei Jahren befindet es sich auf der Zielgeraden, Rat und Parlament haben bereits zugestimmt.
Das Gesetz soll an drei Stellen ansetzen: bei der Transparenz, der Finanzierung und beim Targeting von politischer Online-Werbung. So muss künftig jede politische Anzeige klar als solche gekennzeichnet werden. Außerdem muss für jede Anzeige in einer Datenbank der EU offengelegt werden, nach welchen Kriterien die Zielgruppen ausgewählt wurden und wer sie finanziert hat.
Um ausländische Einflussnahmen zu verhindern, sollen Anzeigen nur noch von innerhalb der EU geschaltet werden dürfen. Dass ein EU-Mitgliedsstaat eine Kampagne in einem anderem Staat kurz vor der Wahl schaltet, wie das hier geschehen ist – das wäre demnach nicht ausgeschlossen.
Trotzdem wäre die Kampagne aus Ungarn laut dem geplanten Gesetzestext unter die Definition von politischer Werbung gefallen – und hätte damit striktere Auflagen erfüllen müssen. So heißt es im Text, die Definition sollte Werbung umfassen, „die direkt oder indirekt durch einen politischen Akteur oder auf irgendeine Weise für einen politischen Akteur oder in seinem Namen ausgearbeitet, platziert, gefördert, veröffentlicht, angezeigt oder verbreitet wird“. Darüber hinaus sollte die Definition auch „Mitteilungen umfassen, die ausgearbeitet, platziert, gefördert, veröffentlicht, angezeigt oder verbreitet werden und die das Ergebnis einer Wahl […] oder ein Abstimmungsverhalten beeinflussen können“.
Ungarn geht auch militärisch eigene Wege, die nicht mit der EU abgestimmt sind, wohl aber dem Kreml ins Konzept passt:
Soldaten aus dem kleinen EU-Land sollen im zentralafrikanischen Tschad die Regierung stabilisieren – offensichtlich nicht abgestimmt mit der EU. Besonders groß ist das Misstrauen, weil der Sohn des illiberalen Regierungschefs Viktor Orban in der Mission offenbar eine zentrale Rolle spielt.
https://www.rnd.de/politik/was-machen-orbans-soldaten-im-tschad-NILLPVALBJDO7EI6DBEBQV47UI.html
Und? Es mischen sich doch alle in die Wahlen anderer Länder ein. Nicht nur Ungarn. Die meisten Leute fallen immer noch auf das Divide(nde) et Impera Spiel rein.